Buchvorstellung „Handbuch Philippinen“ – Ein Kurzbericht

Ralph Chan, Christiane Gotz

Eine der wichtigen Veranstaltungen von Sentro im ersten Halbjahr des Jahres 2019 fand am Freitag, 3. Mai in Kooperation mit dem Philippinenbüro (unter Mitwirkung von Philipp Bück) und dem Institut der Geographie und Regionalforschung (unter Mitwirkung von Univ.-Prof. Dr. Patrick Sakdapolrak) statt. Sie war weiterer Vortrag aus der Reihe der Philippinen Vorträge.

Unter dem Titel „Müssen Freunde darüber reden? Die Auswirkungen der Situation in den Philippinen auf die Diaspora“ wurden die Autoren des Handbuchs Philippinen – Dr. Rainer Werning und Jörg Schwieger zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, um die neue Auflage des Handbuchs vorzustellen. Diese Podiumsdiskussion fand im Zuge des Abendprogramms der Jahrestagung des Arbeitskreises Südostasien der Deutschen Gesellschaft für Geographie an der Universität Wien statt. Geleitet wurde das Programm von Ralph Chan, einem der weiteren Referenten und Philipp Bück, der im Anschluss den Teil Fragen und Antworten übernommen hat. Es war eine willkommene Möglichkeit einerseits, über die Neuauflage des Buches und andererseits, über die politische Situation auf den Philippinen aufgrund der zu dem Zeitpunkt anstanden Wahlen zum Senat und Kongress gemeinsam mit Filipinos und Filipinas und Philippinen Interessierte in Diaspora in Österreich zu sprechen.  

Die Neuauflage des neuen und aktualisierten Handbuchs Philippinen (2019) erfolgte diesmal unter veränderter Herausgeberschaft. Eine kurze Vorstellung der alten, neuen Herausgeber:

Dr. Rainer Werning ist Politik- und Sozialwissenschaftler und Publizist mit den Schwerpunkten Südost- und Ostasien. Seit 1970 u.a. mehrfache und längere Studienaufenthalte in den Philippinen; Autor zahlreicher Publikationen über die Regionen und ehemals Lehrbeauftragter am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn sowie am Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück. Er ist Vorstandsmitglied der Deutsch-Philippinischen Freunde e.V., Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Offenen Akademie sowie im Bereich Landesanalyse und Kultur als Philippinen- & (Nord-)Korea-Dozent an der Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) in Bonn-Röttgen tätig.


Jörg Schwieger ist evangelischer Theologe und Germanist. Er war von 1982 bis 1986 Geschäftsführer der Aktionsgruppe Philippinen und von 1987 bis 1991 Geschäftsführer des philippinenbüro e.V. sowie danach langjähriger Mitarbeiter im kirchlichen Entwicklungsdienst mit unterschiedlichen (Leitungs-)Funktionen. Er ist freiberuflicher Berater und unterstützt ehrenamtlich die Ökumenische Philippinenkonferenz und das philippinenbüro.

Anders als bei den vergangenen Philippinen Vorträgen gabs bereits vor dem Event ein kleines Buffet mit philippinischem Fingerfood und die Gäste konnten bereits vor dem Vortrag und der Diskussion in Gespräche kommen, ihre Netzwerke weiter pflegen und aufbauen. Auch stand das Handbuch vor dem Hörsaal zum Verkauf, das auf reges Interesse unter den Gästen stieß. Nach den ersten Begrüßungsworten von Ralph Chan, der Sentro; Univ.-Prof. Dr. Patrick Sakdapolrak, der das Institut der Geographie und Regionalforschung der Universität Wien und Philipp Bück, das Philippinen Büro in Köln (DE) vertreten hatten, wurden die beiden Herausgeber gebeten ein paar Worte über das Handbuch zu geben.

Während Schwieger vor allem über Daten, Fakten oder im Allgemeinen generell die Themen des Buches wie über die Strafmündigkeit, Mindestlohn, wirtschaftliche Lage des Landes (Remittances) und Situation der Erwerbsbevölkerung bzw. Kapitelstruktur erörterte, hat Dr. Werning über die Entstehungsgeschichte des Buches (seit der 1. Auflage war er mit Niklas Reese, damaliger Herausgeber) und seinen Erfahrungen in der Arbeit in den Philippinen und mit Filipinos und Filipinas gesprochen. Dabei erzählte er wie er seit den 1980er Jahren die politische und gesellschaftliche Situation auf den Philippinen beobachtet. Eines seiner Schlüsse dabei war, dass die EDSA Revolution, wie sie heute fälschlicher Weise verstanden wird, kein Machtwechsel per se ist, denn es gab keinen strukturellen Wandel. Trotz eines gemeinsamen Ereignisses – der Protest gegen den ehemaligen Präsidenten Marcos – und dabei die Gesellschaft klassenübergreifend vereint hat, hat es nicht zu dem gewünschten Effekt geführt, denn die politischen Eliten blieben.

Die Konsequenzen sind bis heute ersichtlich. Als scharfsinniger Beobachter hat Werning weiters darüber berichtet, wie er Duterte schon seit längerer Zeit im Auge hatte. Für ihn war es daher nicht verwunderlich, dass er der heutige starke Mann des Landes sei. Er meinte auch, dass sich die Machtverhältnisse verschoben haben, welche die Philippinen für eine längere Zeit verfolgen werden.

Im Anschluss hat Ralph Chan das Buch kritisch reflektiert und im Zusammenhang mit der Situation auf den Philippinen gebracht. Er begann seinen Vortrag mit dem Zitat „Die Philippinen sind [also] kein armes Land, sie sind aber ein Land mit vielen Armen (S.53 des Handbuchs), in dem er hervorhob, dass viele nur eine bestimmte Perspektive, aber nicht das Gesamte sehen. Das Buch seiner Ansicht nach versucht diese verschiedenen Blickwinkel zu vereinen. Seinen Vortrag gliederte er in zwei Teile. Der erste wurde das Handbuch kritisch reflektiert, in dem er begonnen mit einem Lobgesang hat, danach Kritik geäußert und zum Schluss er offene Fragen an die Herausgeber und an das Publikum gestellt hat. Im Anschluss des ersten Teils wurden Snapshots/“Blitzlichter“ gezeigt, die welche die Stimmen und Perspektiven junger Filipinos und Filipinas sind.

Eine der wichtigsten Eigenschaften des Buches ist, dass es kein typisches Touristenbuch ist, denn die AutorInnen wie auch die Herausgeber haben versucht, in ihren Beiträgen die Lebensrealitäten von einer Froschperspektive anzusehen. So schreiben die Herausgeber „Uns geht es darum den Leser/innen dieses Handbuchs dabei behilflich zu sein, eigene Einblicke zu unternehmen beziehungsweise zu vertiefen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.“ (S. 10). Hervorzuheben gilt daher die Diversität an verschiedenen Themenbereichen, die die Kapiteln auszeichnen und damit neue Blickwinkel wie auch Interpretationen eröffnen. Es wurden Strukturdaten aufgelistet, welche die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Faktoren und der Zusammenhang von Kultur, Religion, Politik und Ökonomie zur Gesellschaft aufzeigen.

Jedoch gibt es auch einige Kritikpunkte: Die Perspektive der Anderen, die Wichtigkeit von Globalisierung, Tertiarisierung, Modernisierung und Digitalisierung wurde im Buch nicht berücksichtigt. Ebenso wurde der Einfluss der regionalen Disparitäten in die Analyse nicht mithineingenommen wie auch waren manche Statistiken veraltet trotz Neuauflage des Buches. Eine der offenen Fragen war: Wie kann man die Perspektive der derzeitigen Generation – der jungen Erwachsenen – in der Diaspora in diese Diskussion inkludieren?

Im Anschluss an den herkömmlichen Vortrag hat Ralph Chan Snapshots/“Blitzlichter“ gezeigt. Diese waren keine repräsentativen Aussagen von allen Filipinos/Filipinas, sondern es hatte den Anspruch oder das Ziel einigen jungen Filipinos/Filipinas eine Stimme zu geben um zu bestimmten Fragen Stellung zu beziehen. Wie denken sie über die derzeitige politische Situation und wie beeinflusst das ihr Leben? Details, Antworten und Folien können sich im Folgenden untenstehend angesehen werden.

Im Fragen- und Antwortenteil gab es zahlreiche Wortmeldungen. Dies zeigte, dass die Thematik offensichtlich für Redebedarf gesorgt hat. Man tauschte verschiedene Standpunkte aus. Aus dem Publikum kamen z.B. auch Berichte, wie es in ihren eigenen Familien (ob hier oder back home) mit dem politischen Thema umgegangen wird. Viele Familien back home sind rigorose Unterstützer des derzeitigen Präsidenten. Für EuropäerInnen bzw. hier aufgewachsene ist die harsche Sprache/die Willkür des philippinischen Staates/die mangelnde Rechtsstaatlichkeit oft nicht nachvollziehbar, wenngleich viel Verständnis für das Sicherheitsgefühl/Bedürfnis wegen der hohen Kriminalität aufgebracht wird. Dennoch ist das Ermorden von angeblich Kriminellen/der armen Bevölkerung für demokratisch und humanistisch Denkende absolut nicht tolerierbar. Was wichtig ist, es wurde miteinander gesprochen! Meinungsverschiedenheiten wurden ausgetauscht, aber die Diskussion blieb durchwegs respektvoll. Es kam klar hervor, dass eine weitere Diskussionsrunde dieser Art gewollt ist. In the nutshell… ja wir müssen darüber reden, auch wenn es Konflikte verursacht und manchmal wehtut und Freunde dann auseinandergehen.

Zum Abschluss einige Rückmeldungen aus den Reihen des Publikums:


„I was most impressed with the young academicians I met and their commitment to promoting a deeper exploration of Philippine issues. I thought that Mr. Chan’s remarks were a thoughtful counterbalance to the presentations of the book authors and I in fact wish I could have heard more from him during the discussions. I also note that Mr. Bueck used to be the Philippinenreferent at DKA, an organization whose work I admire.

Not having read the book yet (a friend is lending it to me), I’m not in a position to comment on its quality and relevance. However, I skimmed through its themes and it looked comprehensive and should be useful to German speakers who wish to go beyond the usual stereotypes reflected in popular media.

It’s unfortunate that there was not enough time for a more sober and substantive podium-audience discussion. For example, Dr. Werning’s bewailing the political leadership in the country (well known to all of us) could have been an opportunity for a brief exchange of insights on the current polarized climate not only in the Philippines but also elsewhere. I do realize the time limitations at these events. 

The Filipino fare was an unexpected generous treat. Next time perhaps you could include a donation box to cover some of your expenses. Thank you for an enlightening evening!”

Pat SUTTER


„Wir waren bei der Vorstellung der 6.Auflage dieses interessanten Buches im Neuen Institutsgebäude am 3.Mai 2019 dabei. Beide Autoren haben sich lange Zeit mit dem Land beschäftigt und wissen sehr viel darüber. Inzwischen haben wir bemerkt, dass in diesem übersichtlichen Sachbuch auch viele andere Autoren zu Wort kommen. Beide Herren haben uns mit ihrer Präsentation gut gefallen. Zusätzlich hat Ralph Chan zum Thema gesprochen. Bei den anschließenden Fragemöglichkeiten hat es gedauert, bis sich mehr Zuhörer getraut haben, Fragen zu stellen, die Autoren waren um entsprechende Antworten bemüht, dadurch war auch zu erkennen, dass sie viel über Land und Leute wissen!“

Minda PEPITO, Dr. Christoph LIBISCH


“The book presentation was interesting and timely, considering that Philippine mid-term elections were taking place in May 2019.

The two authors/publishers were obviously knowledgeable about past and current situations in the Philippines since they have lived there for many years and are still in contact with Filipinos living in and out of the country. Several other authors contributed to the book, which probably makes it more interesting.

The presentation of Mr Chan was excellent and served as a good overview of what to expect in the book as most of the listeners have not read its contents. It would have been better if we received a synopsis of the book before the presentation.

Unfortunately, time was too short to engage in deeper discussion on the main topic „Die Auswirkungen der Situation in den Philippinen auf die Diaspora“! For Filipinos whose German is not their mother tongue, an English translation of the book would be desired.

Thanks to the moderator and organizers of this worthwhile event and looking forward to the next one.”

Ana Maria LANGER 


„I appreciated the structure of the event, and also the fact that there was Filipino food. While others who attended might think that the discussion was too short to be meaningful, I believe that the length and method of moderation was contextually correct. Based on experiences with Filipinos dealing with delicate topics in an academic setting, the way the book was presented and the time allowed for the discussion was just enough for major points and insights to be made before the controversial issues would become too difficult for the audience and the moderators to handle.“ 

Harald TOMINTZ


„The discussion still had finesse while also allowed liberties and freedom enough to express ideas. There have been cases in the past where seminars such as these would result in hurt feelings or broken personal and professional relationships among those who attended. Ralph Chan’s presentation and research set the mood and also was a good addition to the event, presenting how people saw the issues. The book was marketed well during the event, in that people would be enticed to buy it, and was generally successful in that regard.“

Angel TOMINTZ


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